Eine Geschichte aus der Betreuung – ein Klient erzählt

Wann und wie bist du zum berliner STARThilfe e.V. gekommen?

Ich war vorher in im Hiramhaus in Klosterfelde (Anmerkung: Brandenburg, eine Einrichtung der Suchtkrankenhilfe). Da kam ich irgendwie nicht auf einen grünen Zweig, da es Änderungen in der Leitung gab, die mir nicht gefielen. Danach bin ich nach Bayern in eine kirchliche Einrichtung, da wurde morgens um 7 Uhr erst einmal gebetet, das war nichts für mich. Danach bin ich wieder nach Brandenburg, da stimmte für mich das Umfeld nicht. Dann bin ich zum ZAP Pankow gegangen, zu der Zeit lebte ich in einer Obdachloseneinrichtung, die haben mich zur WIB geschickt, dort habe ich einen Flyer des berliner STARThilfe e. V. gekriegt. Dann habe ich mich mit Frau N. getroffen, mir das Zimmer angeschaut. Das war zwar klein aber fein. Musste ich halt asiatisch denken. Und bin dann Ende September 2020 in die TWG gezogen.

Was hat sich in dieser Zeit in deinem Leben verändert?

Erst einmal, das gute bei der STARThilfe ist, ich kann mein Ding machen. Wie schon vorher in Brandenburg ging es auch hier darum eine Tagesstruktur zu bekommen. Etwas zu machen, wo ich regelmäßig zur Arbeit hingehe. Da hatte ich die Idee Bundesfreiwilligendienst zu machen. Das kann man auch noch machen, wenn man älter ist. Dann haben wir rumrecherchiert und ich bin dann auf einem Kinderbauernhof gelandet. Und habe dann da für 1,5 Jahre meinen Freiwilligendienst geleistet. Und das war ne gute Erfahrung. 38,5 Stundenwoche für ein schmales Taschengeld, sag ich mal. Das kam zum Hartz4 dazu und das war auch okay. Für mich war erst einmal wichtig, wieder in den Arbeitsprozess zu kommen. Und da hat mich K., meine Bezugsbetreuerin, immer tatkräftig unterstützt. Und jetzt sind wir schon seit August dran, Bewerbungen zu machen. Einmal bei der ODEG, die haben sich komisch gehabt, weil ich 2 Jahre obdachlos war. Und jetzt zurzeit bin ich im Bewerbungsprozess bei der BVG. Habe alle Tests und das persönliche Gespräch absolviert, der Arzt und die Arbeitnehmervertretung muss jetzt noch das O.K. geben. Klappt das, könnte ich im Januar die Ausbildung zum Straßenbahnfahrer anfangen. Man lernt mit der Zeit das abstinente Leben zu schätzen. Ich hatte das schon einmal, deswegen bin ich ja dann wieder ins therapeutische Wohnen in Brandenburg gegangen. Ich war ja schon einmal 11 Jahre trocken. Dann kam das Polytoxe dazu, alles Mögliche, was man sich in den Kopf knallen kann. Ich war da auch im Obdachlosenheim. Aber das ging dann körperlich gar nicht mehr.

Dann gab es die Möglichkeit eine Wohnung zu bekommen, aber da wusste ich, das wird noch nix. Ich wusste, ich muss mein Umfeld erst ändern. Sonst hätte ich die Wohnung wahrscheinlich in einem halben Jahr runtergerockt. Ich musste erst einmal im Kopf wieder klarkommen und ich wollte gern mit Tieren arbeiten, denn die sind ehrlich. (Anmerkung: die TWG in Brandenburg hatte die Versorgung von Tieren als therapeutisches Angebot) Die zeigen ihre Dankbarkeit und ich konnte da viel für mich selber rausholen. Aber da bin ich ja dann weg. Und zur STARThilfe. Die Strukturierung der Zusammenarbeit kann ich mir selbst gestalten, ist natürlich auch vom Bezugsbetreuer abhängig, es muss auch passen. Daher hatte ich auch einen Betreuerwechsel. Da hatten wir uns zusammengesetzt und geklärt, dass das miteinander nicht funktioniert. Ich habe ja auch ne gewisse Vorstellung wie das ablaufen soll. Jetzt habe ich K. seit 1,5 Jahren und wir kommen gut miteinander klar. Ist ein gutes Arbeiten. Ich hatte ja auch schon Erfahrung mit Betreuung und vom Lageso (Anmerkung: Landesamt für Gesundheit und Soziales) wurde mir damals auch mitgegeben, wie eine Betreuung aussehen soll oder kann. Daran habe ich mich irgendwie gehalten. Man macht zusammen einen Zeitstrahl, was wollen wir machen, was wollen wir erreichen. Wie gehen wir die Sache an. Das setzt natürlich voraus, dass ich in meinem Kopf auch irgendwelche Ziele habe. Wenn da natürlich nur Luft drin ist und man nur so in den Tag hineinlebt, dann braucht man vielleicht was anderes, mehr Reden. Das ist aber nicht so meins, da kenne ich mich, da würde ich mich fragen, warum mache ich das. K. erkennt genau, wo es bei mir hakt, Behörden oder stundenlanges Herumtelefonieren ist nicht mein Ding. Da wird man mich mit 55 Jahren auch nicht mehr von überzeugen. Das ist dann ihr Part. Das macht sie gerne und hinterm Ist-gleich steht dann auch ein Ergebnis. Und mit meinem und ihrem Dazutun gehen wir die Sache an. Mir ist immer wichtig, einen Plan zu haben, einen Zeitstrahl am besten. Monat für Monat, für ein halbes Jahr. Freizeitgestaltung gehört auch dazu, was zusammen unternehmen, Museum oder Billard oder so. Wichtig ist mir ein Ergebnis und nicht „hätten wir mal“. So sind wir an die Sache heran gegangen und damit kann ich gut leben.

Was hat dir auf diesem Weg geholfen? Und was war schwierig für dich?

Es war teilweise ein Kampf, in der TWG dieses abstinente Level zu halten. Es gab da auch Rückfälle und auch Konsum. Damit habe ich Schwierigkeiten. Dafür bin ich ja in eine TWG gezogen, um mich zu schützen. Und dafür gibt es die Null Toleranz Regel. Das ist mein Rückzugsort. Und deswegen habe ich auch die Bufdi-Stelle angenommen, weil ich wusste, wenn ich danach nach Hause komme, komme ich in ein Umfeld, wo nicht gesoffen wird. Und zeitweise war das aber ein richtiger Kampf. Auf der einen Seite, und das ist überall so, leben wir in einer Diktatur des Geldes und daher muss so eine WG auch ausgelastet werden. Und wenn dann solche Flitzpiepen kommen und nach 14 Tagen anfangen zu saufen, dann wird die (Anmerkung: WG) nie auf ein Level kommen, wo man sagen kann, die ist finanziell solide aufgestellt. Und deswegen hat man da zeitweise ein bisschen gezögert. Aber in meinem Fall, ich hatte seit dem Einzug keinen Rückfall und ich denke, man kann sagen, dass das für so einen Verein auch ein Schulterklopfen ist. Das ist nicht alltäglich. Und wie es jetzt belegt ist, sieht das aber ganz anständig aus. Ich weiß auch, wenn ich jetzt noch einmal einen Rückfall baue, gehe ich 1, 80 tief. Ich habe nur zwei Entscheidungen, entweder ich möchte noch ein wenig auf der Kugel meine Reise fortsetzen oder ich werde irgendwann zu Sternenstaub. Also, leicht ist das nicht. Wenn man abstinent leben will ist das ein wichtiger Punkt, einen Rückzugsort zu haben, wo man sich drauf verlassen kann, da wird nicht mit Rauschmitteln hantiert.

Ich habe mittlerweile auch so Abwehrmechanismen, wenn ich Alkohol oder sowas rieche, kriege ich richtig Würgeanfälle. Mache ich demjenigen keinen Vorwurf, aber ich suche mir dann einen anderen Platz. So ein Rückzugsort ist okay, aber man muss auch sehen, dass man abstinent in der Stadt Fuß fasst. Ein gewisses stabiles soziales Umfeld sollte man sich schon schaffen. Ich habe das immer so gehandhabt. Auch bei den Bewerbungen, obwohl man mir davon abgeraten hat. Ich habe das jetzt nicht explizit reingeballert (Anmerkung: Obdachlosigkeit und Sucht), aber meinen Lebenslauf im Großen und Ganzen so geschrieben wie es auch abgelaufen ist. Und damit kann ich am besten leben. Wenn man mir da sagt, ne Beurteilung, da müsse man das alles schön ausmalen, finde ich das als Augenwischerei. Beim Kinderbauernhof war das auch so, die hatten erst auch Skepsis. Ich sagte da dann, wenn man den Leuten keine Chance gibt, dann wird das nix. Dann wird weiterhin Armut verwaltet und damit fahren sie auf langer Sicht gegen den Baum. Ja, es gibt Vorurteile und ja, die sind auch berechtigt. Aber nicht immer so viel reden, sondern machen. Seine Meinung kann man sich machen, wenn man den Menschen in Aktion sieht. Und deswegen fand ich das Kennenlerngespräch bei der BVG gut, ich habe mich da wohlgefühlt. Das war ein cooler Typ.

Wo siehst du dich in 5 Jahren?

Zum 60. habe ich mir vorgenommen Singapur (Anmerkung: Staat in Asien) zu besuchen, mir das noch einmal anzukieken. Das hat mich damals, ich bin ja mal zur See gefahren, schon fasziniert. Ob das finanziell überhaupt machbar ist, ist ne ganz andere Kiste. Ich habe da ganz genaue Vorstellungen wie ich da hinreisen will und ich bin da jetzt schon bei 11 Tagen, bei zwischen 5- und 6000 Euro. Aber man weiß auch nicht wie die Preisentwicklung bis dahin wird. Wie teuer das Leben überhaupt wird. Ich will auch mit dem Gitarrenspiel weiter vorankommen. Und um fit und gesund zu bleiben, muss man auch was tun. Was da noch für mich möglich ist? Ernährung. Rauchen ist halt mein Laster. Aber das gehört irgendwie auch zu mir.

Siehst du dich in 5 Jahren noch in der TWG?

Das kann durchaus möglich sein. Wohnung ist ein schwieriges Feld. Ich hatte auch schon Mietschulden und das heftet dir immer an. Es gibt aber auch kaum bezahlbare 1-2 Zimmer- Wohnungen. Das Umland wäre auch noch ne Option, aber da muss sich der ÖPNV verbessern. Leichter wäre es natürlich, wenn es mit einer Arbeit klappt und man ein gesichertes Einkommen hat. Aber das ist auch keine Garantie. Und deswegen kann ich es mir durchaus vorstellen, in 5 Jahren noch in der TWG rumzudümpeln, womit ich aus jetziger Sicht auch kein Problem hätte. Ich bin ja jetzt auch so eingerichtet, dass ich die Tür aufschließe und mich wohl fühle. Und das ist auch eine Sache, die finde ich wichtig für mich.